Heute vor einem Jahr, war mein letzter Tag bei der Bundeswehr. Morgen vor einem Jahr wurde ich Zivilist. Heute vor einem Jahr, waren es nur noch drei Tage bis zu meiner Abschlussfeier und noch ein Monat und drei Tage bis zum Reisebeginn nach Kuba.

Wie fühle ich mich heute, an diesem historischen Jahrestag? Ein wenig aufgeregt, merke ich. Ein Jahr, nachdem ich die Bundeswehr verlassen habe, ist eine Menge passiert. Ich zähle einmal auf:

  • Ich habe die geilste Hausparty geschmissen, die ich jemals geschmissen habe
  • Ich habe neun Länder bereist und befinde mich derzeit in Thailand.
  • Ich habe Menschen kennengelernt, die meinen Horizont beträchtlich erweitert haben. Seien es Millionäre, Unternehmer, Heiler, Expats, Verlorene Seelen, Querdenker oder Nerds
  • Ich habe an zwei Selbstständigkeiten gebaut, den Grundkurs Transaktionsanalyse und Amazon
  • Ich habe zum ersten mal Weihnachten in einem anderen Land verbracht
  • Ich habe zum ersten mal einen warmen Winter erlebt
  • Ich bin zu diesem Zeitpunkt mit sechs Freunden gereist
  • Ich habe noch nie so lange Zeit ununterbrochen mit einem anderen Menschen so viel Nähe und Intimität geteilt, wie mit Viola
  • Ich war noch nie so lange aus Deutschland raus und von Zuhause weg, wie in diesem Jahr
  • In meinem Berufsleben habe ich noch nie von so wenig Geld gelebt, wie in diesem Jahr
  • Ich habe mich noch nie so viel beruflicher Unsicherheit ausgesetzt, wie in diesem Jahr

Ich kann mich noch erinnern, wie ich mit dem Fahrrad nach Hause fuhr und dort meine Uniform an den extra dafür eingeschlagenen Nagel hing. Und ich merke auch, wie sehr mich das Militär geprägt hat, zu meinem Vorteil und zu meinem Nachteil.

Vorteile:

  • Möglichkeiten des eigenen Handelns: Wir standen bereits öfter vor Problemen. Vor allem bei Rückschlägen, während des Aufbaus der Selbstständigkeit. Dann frage ich mich, welche Möglichkeiten des eigenen Handelns ich habe. Das lenkt meinen Fokus auf’s aktive Handeln. Das hat bisher immer sehr gut funktioniert.
  • Die eigenen körperlichen und geistigen Grenzen kennen: Auf den Überlebenslehrgängen der Bundeswehr kam ich an meine körperliche- und geistige Leistungsgrenze. Sei es die Hungerwoche oder Gewaltmärsche. Zu wissen, was ich bereits durchgestanden habe, verschafft mir sehr häufig die nötige Ruhe. Auch wenn wir uns mal verirren und der Magen schon knurrt.
  • Auftragstaktik: Auftragstaktik besagt, dass ein Ziel erreicht werden soll. Wie ich dort hingelange, ist meine Angelegenheit. So entwickle ich eigene, kreative Lösungen.
  • Reserven schaffen: Im Gefecht gilt – habe eine Reserve, um Schwerpunkte im Gefecht setzen zu können. Ob Nahrungsreserven, Geldreserven oder Zeitreserven. Sie lassen mich wesentlich entspannter bleiben, wenn andere schon völlig am Rad drehen.
  • Survivaltechniken: Ob auf Wanderungen oder im Großstandgetümmel – Viola lässt sich immer wieder von meinen Oritentierungsfähigkeiten beeindrucken. Dabei lernt sie auch immer besser den Umgang mit der Karte, Himmelsrichtungen und Bauernliniealen (Flüsse oder Hochhäuser)
  • Militärisch kommunizieren: Von Zeit zu Zeit ist es für uns sinnvoll, militärisch, ohne Fülsel zu sprechen. Gerade in Stresssituationen, wo es schnell gehen muss, ist es hilfreich, wortknapp und direkt zu sprechen, statt ein „Schatzi, hättest, könntest, bitte mal vielleicht eben“ Stattdessen: rechts oder links? Links! Alles klar.
  • Auftragswiederholung: Wenn wir eine Absprache treffen, wiederhole ich mit eigenen Worten, was ich verstanden habe. Das schafft Klarheit und steigert die Produktivität.
  • Disziplin: Es wird erst baden gegangen, wenn die Tagesaufgabe erledigt ist
  • Nichts ist so beständig, wie die Lageänderung: Statt mich darüber zu ärgern, dass das Internet schon wieder ausgefallen ist, suche ich mir eine andere Aufgabe, die ich erledigen kann.
  • Aus Fehlern lernen: Für’s Business gilt – Wir sind in der Lern- und Aufbauphase – Deswegen gilt: „Fehler machen ist erlaubt. Aber experimentiere schnell, lerne und verändere dich, bis du es richtig hinbekommst.“

Nachteile:

  • Manche Vorteile wirken sich bei einem „zu viel“ nachteilig für mich aus. So passiert es mir bei einem „zu viel“ an Selbstdisziplin, dass ich andere Bedürfnisse nicht mehr spüre und somit vernachlässige, nur um den beruflichen Auftrag zu erfüllen.
  • Zu viel militärisches Sprech wirkt manchmal etwas Befremdlich auf Außenstehende.
  • Kranke Strukturen: Die Bundeswehr fördert sie eine scheißegal-Haltung. Ich bemerkte oft, dass mein Ansporn produktiv zu sein, regelmäßig von internen Strukturen und persönlichen Interessen Vorgesetzter ausgebremst wurde. Ich bekam 2012 den Auftrag eine LED-Werbetafel an der Kasernenwand zu installieren. Noch heute leuchtet keine Werbung auf ihr.

Alles in Allem bereue ich nicht bei der Bundeswehr gewesen zu sein. Ich kann noch immer nicht ganz fassen, dass diese Zeit meines Lebens vorbei ist. Doch bin ich der festen Überzeugung, dass es besser so ist. Jetzt habe ich noch ein Jahr, bis mein Übergangsgeld ausläuft und ich finanziell auf eigenen Beinen stehen muss. Ob ich es schaffe? Wir werden sehen.

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

Ich bin gespannt auf deinen weiteren Weg…und wünsche dir viel viel Erfolg dafür.
Den militärischen – konnte ich ja etwas begleiten.
Viel Spaß in Indien.

Gruß Jan

Hallo Jan, ich bin auch gespannt auf meinen weiteren Weg. Hoffentlich klappt alles so, wie ich mir das vorstelle. Manchmal habe ich schon auch Existenzängste. Wir werden sehen.

Ich freue mich auf jeden Fall auch von dir Posts auf Facebook zu verfolgen. Auf der Sommerrodelbahn in St. Andreasberg bin ich als Kind auch gerodelt. 😀