Ich bin in Neu-Delhi angekommen, der Station, von der ich in einer Woche aus Indien abfliegen werde. Es ist Sonntag Abend. Morgen, am Montag will ich mein Visum für Thailand beantragen. In aller Frühe stehe ich auf, um pünktlich im Visa-Application-Center zu sein. 20 Minuten früher bin ich da. Ich warte vor dem Gebäude. Als ich um 08:00 Uhr zur Öffnungszeit das Center betrete, sind eigenartig wenig Lichter an. Ein Wachmann erklärt mir „not open“. Es ist Kindertag in Indien und deswegen ist das Center geschlossen. Also morgen wieder.

Nachdem vor sechs Tagen nach einer Fernsehansprache des Indischen Premier alle 500 und 1000 Rupie-Scheine entwertet worden, machen heute die Banken wieder auf. Dort kann man seine Scheine tauschen. Ein 500 Rupie Schein, ca. 6 Euro, kann man mit 50€ in Deutschland vergleichen. Stell dir vor über Nacht sind alle Scheine, ab 50 Euro aufwärts entwertet. Kreditkarten werden nur vereinzelt akzeptiert und die Banken bleiben fünf Tage lang geschlossen. Was machst du?

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Nächster Tag: In aller Frühe mache ich mich wieder auf zur Botschaft. Dieses mal hat sie geöffnet. Aber ich werde abgewiesen, weil ich noch eine Bankendeckung nachweisen soll. Ich suche mir einen Co-Working-Space und brauche drei Stunden, bis ich meine zwei Kontoauszüge in der Hand halte. Ich fahre erneut zum Visa-Application-Center und habe die Nummer 114. Auf der Anzeige blinkt gerade die 68 auf, was mein Kinn spontan auf meine Brust fallen lässt. Ich setze mich auf den kalten Stahlstuhl und klappe den Laptop auf, um mich ein wenig abzulenken. Da kommt der Wachmann „No Laptop“. Also ohne Laptop. Als ich an der Reihe bin, lege ich die gewünschten Dokumente vor. Am Ende soll ich 2000 Rupies zahlen. Die alten 500er nehmen sie nicht, Kreditkarte geht auch nicht, Euro und Dollar geht auch nicht. Nicht einmal ihre eigene Währung nehmen sie. Ich habe nämlich auch Thai Baht dabei. Es werden nur die neuen Banknoten oder kleine Scheine in Rupies gefordert. Meine Nachbarn an den anderen Schaltern zahlen mit Schecks. Ich muss mich beherrschen die Dame nicht durch das Sprechfenster zu ziehen. Sie sagt, wenn ich das Geld habe, kann ich wiederkommen, dann bearbeitet sie meinen Antrag.

Vor dem Gebäude fühle ich mich depressiv. Ich fange an die 3 km lange Strecke zurück zum Hotel zu laufen. Da kann ich Geld sparen. Ich habe noch 260 Rupien in der Tasche – 3,30€. Das reicht für Bananen, Wasser und ein paar mal Taxi fahren. Mittag esse ich bei Burger King. Die nehmen meine Kreditkarte gern an und hobeln mir fünf Euro aus der Tasche. Das gleiche hat schon Starbucks zum Frühstück getan. Ich kann mir keine normalen Geschäfte mehr leisten und muss deswegen bei den miesen und teuren Marken essen gehen. Vor den Banken stehen Massen von Menschen. „Mir geht es im Vergleich zu denen noch gut.“ – denke ich mir.

Ich beschließe erstmal Mittagschlaf zu machen. Danach sieht die Welt ja vielleicht anders aus. Vorher will ich noch in einer Wechselstube probieren Geld zu tauschen. Keine Chance. Einer sagt mir, dass es Extraschlangen für Touristen in den Banken gibt. Eine Lüge. Nach dem Aufstehen frage ich in einem Backpacker-Hostel, wo ich Geld bekommen kann. Sie empfehlen Western Union. Das ist der Verein, bei dem man Geld versenden kann. Ich suche mir einen. Nach langem hin und her kann ich meine 9500 Rupies in 500ern gegen 7500 Rupies neuer und kleiner Währung tauschen. Umgerechnet 30€ kostet mich der Deal. Aber jetzt kann ich das Visum bezahlen. Ich mache mich auf zum Visa-Center, das dritte mal heute. Dort angekommen, wird mir erklärt, das nachmittags lediglich Ausweis-Abholzeit ist. Ich bin also umsonst gekommen. „Come tomorrow.“ wird mir erklärt. „Ja du Penner.“ – denke ich mir und trabe ab. Vor den Banken stehen noch immer Massen von Menschen. Zum Glück bin ich keiner von diesen.

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Als ich mich 2012 mit Krisenvorsorge beschäftigte, wurde ich Einigen nur milde belächelt. Die Inder hätten es auch nicht geglaubt. Dienstag Abends kam eine Fernsehansprache: „Ab jetzt sind alle 500 Rupien und 1000 Rupien entwertet und für den Geldverkehr gesperrt. Sie können in den Banken tauschen.“ Doch die Banken blieben lange geschlossen und geben Geld nur in sehr kleinen Mengen raus. Es kam bereits zu Handgreiflichkeiten und Toten. Wer denkt, dass das nicht auch in Deutschland passieren kann, der braucht nur ins letzte Jahrhundert zurück schauen. Ich weiß, dass ich mich wieder vorbereite, sobald ich wieder einen festen Wohnsitz habe. Aus den verzweifelten Augen, die ich hier sah, will ich selbst nicht irgendwann einmal schauen.

Am nächsten Tag bin ich im 8:00 beim Visa-Zentrum. Meine Dokumente werden diesmal wieder abgelehnt, weil mein Kontoauszug in Deutsch statt auf Englisch ist. Nach fünf Versuchen gebe ich die Visa-Beantragung in Indien auf.

9 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

Oh man, da stellen sich bei mir ja wirklich die Nackenhaare auf. Ich trieben in der letzten Zeit verworrene GEZ-Konstellationen/Mahnungen und das Einlösen eines Erlebnis-Gutscheins in den Wahnsinn. Würde so was selbstverständliches wie Geldausgabe auf einmal nicht mehr fluppen, ich wüsste gar nicht, wie ich da reagieren würde.
Was wird jetzt dein nächster Schritt sein?

Hallo Senfkauz,
meine Schritte waren:
– Lagebeurteilung: Wie viel Geld habe ich noch und wie lange komme ich damit aus?
– Möglichkeiten eigenen Handelns: Wo kann ich Geld beschaffen? (Bank? Zahlen via Kreditkarte? Geld via Western Union schicken lassen? Deutsche Botschaft? Etwas von jedem?)
– Ich habe 130€ gegen 100€ in Rupien tauschen können – bei einem Western Union

Jetzt habe ich noch 10€ für die nächsten zwei Tage. Die kann ich stretchen, indem ich nochmal irgendwo mit der Kreditkarte zahle. Ich werde also überleben, hahahaha. Viele Grüße
Steffen

Hallo Senfkauz,
meine Schritte waren:
– Lagebeurteilung: Wie viel Geld habe ich noch und wie lange komme ich damit aus?
– Möglichkeiten eigenen Handelns: Wo kann ich Geld beschaffen? (Bank? Zahlen via Kreditkarte? Geld via Western Union schicken lassen? Deutsche Botschaft? Etwas von jedem?)

Ich habe 130€ gegen 100€ in Rupien tauschen können – bei einem Western Union

Jetzt habe ich noch 10€ für die nächsten zwei Tage. Die kann ich stretchen, indem ich nochmal irgendwo mit der Kreditkarte zahle. Ich werde also überleben, hahahaha. Viele Grüße
Steffen

[…] Interessant ist auch, was andere Blogger von ihren Erfahrungen vor Ort berichten. Steffen beschreibt seine unangenehmen Erlebnisse mit der Visabeantragung unter Anhalten und Wahrnehmen.  […]

Hehe

Da hat es Dich ja auch ziemlich erwischt mit der Währungskrise…

Wenn du es noch nicht weißt: Du kannst das 30 Tage VOA in Thailand um nochmal 30 Tage verlängern für 1900 Baht auf der nächsten Immigration. Die Bürokratie in Thailand ist nicht ganz so indisch und die lächeln sogar auf der Immigration 😉

Hallo Florian, das war richtig blöd. Und danke für den Tipp. Genau so, wie du es vorgeschlagen hast, habe ich es jetzt auch gemacht. Hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich mir einigen Ärger ersparen können, hahahaha. Viele Grüße

Krisenvorsorge ist das Stichwort, als ich 2008 wetten wollte das im Euro-Raum auch mal die Banken geschlossen haben könnten- wurde mit dem Finger an die Stirn getippt.

Und siehe da in Griechenland und Zypern waren die Banken und Automaten tagelang gesperrt. Heute noch ist das abheben am Automat dort noch beschränkt – Stichwort Kapitalflucht. Wie hoch diese ist, kann auch an den Target2 – Salden der Bundesbank abgelesen werden = so um die 700 Milliarden €. Die Eurokrise ist noch nicht vorbei, sie macht nur Pause.

Ja, es ist schon spannend, wie schnell sich Dinge ändern können.